Zivildienst

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In Österreich gibt es als Ersatz zum (im Jahr 2000 noch acht-, jetzt jedoch sechsmonatigen) Wehrdienst den ein Jahr (mittlerweile: neun Monate) dauernden Zivildienst, bei dem man im Bereich des Sozialwesen tätig ist: Zivildiener werden beispielsweise in Altersheimen und Krankenhäusern, in der Sozial- und Behindertenhilfe, oder auch bei Rettungsorganisationen wie dem Roten Kreuz und dem Arbeiter Samariter Bund eingesetzt. Ich persönlich war bei letzterem im Einsatz (siehe "Meine Zeit als Zivildiener").

Zu Beginn meines Zivildienstes (im Februar 2000) war noch ein dreiwöchiger Grundlehrgang, in dem wir neben einer Erste-Hilfe-Ausbildung auch Unterricht in den Bereichen politische Bildung, Zivilschutz und technische Hilfeleistung (Katastrophenhilfe) erhielten, für alle Zivildienstleistenden (ZDLs) verpflichtend. Diese Ausbildung ist dazu gedacht, die Zivildiener auf den Fall eines Einsatzes bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen im Rahmen eines sogenannten außerordentlichen Zivildienstes vorzubereiten.

Während der ersten vier Monate (bis inklusive Mai 2000) erhielten die Zivildiener ein Grundgehalt von 2.358,– ATS (171,36 €) monatlich, sowie 155,– ATS (11,26 €) pro Tag für Verpflegung in Form von Essensgutscheinen.

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© Zivildienst.at

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Doch mit der Novellierung des Zivildienstgesetzes (ZDG) im Frühjahr 2000 verschlechterte sich die finanzielle Situation der ZDLs immens:
Ab 1. Juni 2000 wurde das Verpflegungsgeld auf 43,– ATS (3,12 €) pro Tag gekürzt. Aufgrund dieser einschneidenden Kürzung unseres Gehaltes wurde versucht, mittels eines Warnstreiks und einer Demonstration auf diese triste Situation aufmerksam zu machen, und eine Rücknahme der ZDG-Novelle 2000 zu erreichen:
Am Montag, den 8. Mai 2000, beteiligten wir uns an einem Warnstreik von drei Stunden Dauer, wozu uns von den Verantwortlichen des ASB Floridsdorf freundlicherweise die Erlaubnis gegeben wurde, da Zivildiener ja kein Streikrecht besitzen.
Am 5. Juni fand schließlich eine Demonstration mit rund 250 Teilnehmern in der Wiener Innenstadt statt, für die wir wiederum von den Verantwortlichen des ASB Floridsdorf-Donaustadt vom Dienst freigestellt wurden. Zur Untermauerung unserer Forderungen wurden 16.811 Protestunterschriften an den damaligen Nationalratspräsidenten Heinz Fischer übergeben.
Trotzdem brachte der Protest nicht das erwünschte Ergebnis – es blieb bei den 43,– ATS Essensgeld pro Tag.

Es wurde sogar vom Bundesministerium für Inneres eine Produktzusammenstellung laut Empfehlung des Zivilschutzverbandes als Verpflegungsmodell vorgelegt, mit der Innenminister Strasser nachweisen wollte, dass man um 43 ATS so einkaufen kann, daß man ein Frühstück, eine warme Mahlzeit und ein Abendessen bekommt, und sich noch dazu gesund ernährt. (Zitat NEWS Nr. 22/2000 vom 31. Mai 2000, Seite 45). Ein kleines Detail am Rande: Die dem Modell zugrunde liegende Liste ist eine Vorratsempfehlung für plötzliche Natur- oder Umweltkatastrophen für eine Person, die für zwei Wochen den Wohnbereich nicht verlässt! Darüber hinaus ergab eine von einer Zivildienerplattform in Auftrag gegebene Studie am Institut für Erährungswissenschaften der Universität Wien (im Gegensatz zur Behauptung des Ministers) einen Mangel an Energie, Ballaststoffen, Vitamin A, Vitamin D, Vitamin E, Vitamin B2, Pantothensäure, Biotin, Folsäure, Vitamin C, Kupfer, Jod und Zink!
Neben der Gehaltskürzung um fast 50% brachte die ZDG-Novelle 2000 auch zahlreiche andere Änderungen: Es wurde beispielsweise der Grundlehrgang ersatzlos gestrichen, und die Zahl der Zuweisungen drastisch reduziert: Im Juni gab es nur Zuweisungen an Organisationen wie dem Arbeiter-Samariter-Bund und das Rote Kreuz; für Oktober wurde der "Kaufzivi" eingeführt (Zivildiensteinrichtungen konnten um rund 10.000,– ATS (rund 730,– €) einen ZDL "ankaufen").

Um die Situation der (Wiener) Zivildiener etwas zu verbessern, erhielten Zivildiener mit Hauptwohnsitz in Wien von Juli bis Dezember 2000 von der Stadt Wien Sozialhilfe (!) in der Höhe von 1052,– ATS (76,45 €) pro Monat.

Gegen die ZDG-Novelle 2000 wurde schließlich beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Klage eingebracht, der auch ich mich anschloss. Anfang Dezember 2001 entschied schließlich der Verfassungsgerichtshof, dass diese Novelle verfassungswidrig war. In der diesbezüglichen Presseaussendung heißt es wörtlich:

Mit Erkenntnis vom 6. Dezember 2001, G 212/01, hat der Verfassungsgerichtshof nunmehr festgestellt, dass die in Prüfung gezogenen Regelungen verfassungswidrig waren.

Er legte in dieser Entscheidung dar, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen gesamthaft betrachtet zu einem unzulänglichen Versorgungsniveau der betroffenen Zivildienstleistenden führten, weil die Erhöhung der Grundvergütung nicht geeignet war, den Entfall des Anspruches auf Verpflegung auszugleichen. Damit wurde das [...] verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt, weil der verfassungsrechtlich gebotenen Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung der Versorgung der Zivildienstleistenden nicht entsprochen wurde bzw. die Ableistung des Zivildienstes während der Geltung der in Rede stehenden Rechtslage faktisch (erheblich) erschwert wurde.

In finanzieller Hinsicht bedeutete dieses Urteil, dass zumindest jene 200 Zivildiener, die sich der Klage angeschlossen hatten, die Differenz zwischen dem Essensgeld vor und nach der Novelle (112,– ATS bzw. 8,14 € pro Tag) nachträglich ausbezahlt bekommen hätten sollen. Allerdings gab es unterschiedliche Rechtsauffassungen, wer für diese Zahlungen verantwortlich wäre, und es konnte mit dem Bundesministerium für Inneres keine außergerichtliche Einigung erzielt werden, sodass eine Einklagung dieser nachträglichen Zahlung beim VfGH notwendig geworden ist. Leider hat der Verfassungsgerichtshof diese Klage wegen Unzulässigkeit zurück gewiesen. Es musste daher das (parallel laufende) Berufungsverfahren gegen einen diesbezüglichen Bescheid der Zivildienstverwaltungs-GmbH abgewartet, und gegen den neuerlich abschlägigen Bescheid erneut eine Beschwerde beim VfGH eingebracht werden, was das Verfahren enorm verzögert hat. Erst im Oktober 2004 hat der VfGH auch diesen Bescheid aufgehoben. Mit der neuen Innenministerin Liese Prokop, die nach dem Rücktritt von Minister Strasser diesem ab Ende Dezember 2004 nachfolgte, konnte im Jänner 2005 schließlich eine Einigung erzielt werden. Mitte Februar 2005 haben daher die etwa 50 Kläger, die bis zum Schluss durchgehalten haben, endlich das ihnen zustehende Geld bekommen.


Mit der ZDG-Novelle 2001 (in Kraft getreten mit 1. Jänner 2001) wurde die Verpflegung neu geregelt: Ab nun oblag es den Einrichtungen, die Zivildiener beschäftigen, für eine angemessene Verpflegung zu sorgen. Beim Samariter-Bund waren das 80,– ATS (5,81 €) pro Tag – zwar mehr als die 43,– ATS (3,12 €) pro Tag, die wir nach der ZDG-Novelle 2000 bekommen haben, aber noch immer nicht die 155,– ATS (11,26 €) pro Tag wie vor besagter Novelle.

Diese Regelung wurde mittlerweile durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) als verfassungskonform bestätigt. Allerdings wurde im Zuge dieses Beschwerdeverfahrens festgestellt, dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, die Versorgung der Zivildienstleistenden sicherzustellen [besteht]. [...] Weiters kommt der Verfassungsgerichtshof [...] zum Ergebnis, dass ausreichend bestimmt werden kann, was unter 'angemessen verpflegt' zu verstehen ist. In Zusammenhang mit einer etwaigen Geldleistung für Zwecke der Verpflegung verweist der Verfassungsgerichtshof unter anderem darauf, dass eine frühere einschlägige Verordnung des Innenministers herangezogen werden könne. (Die Verordnung hatte zuletzt 155 öS als jenen Betrag angesetzt, der drei täglichen Mahlzeiten entsprach). (Zitat aus der Presseaussendung des VfGH vom 11. Juli 2002).
Als weiteren Richtwert fürs tägliche Verpflegungsgeld gibt der Verfassungsgerichtshof jenen Aufwandsersatz an, der Präsenzdienern zusteht, sofern sie nicht in der Kaserne verköstigt werden (13,60 €).

Das Verpflegungsgeld sollte also zwischen 11,26 € (155,– ATS) (nach der Verpflegungsgeldverordnung, gültig von 1994 bis 2000) und 13,60 € (nach dem Heeresgebührengesetz 2001) liegen. Sofern bis jetzt weniger an Verpflegungsgeld ausbezahlt wurde, können diese Ansprüche auch rückwirkend geltend gemacht werden, allerdings hat die Zivildienstverwaltungs-GmbH und der Bundesminister für Inneres erklärt, dem Verfassungsgerichtshof nicht freiwillig folgen zu wollen. Mit Erkenntnis vom 15. November 2005 hat der Verfassungsgerichtshof jedoch erneut festgestellt, dass die bereits erwähnten 13,60 € als "angemessene Verpflegung" anzusehen sind, wobei – je nach Art des Dienstes, zum Beispiel bei Verrichtung desselben an einem fixen Einsatzort – auch Abweichungen nach unten möglich seien, wobei der Spielraum hier laut VfGH eher gering sei. Darüber hinaus wurde neuerlich festgehalten, dass der Staat (und nicht etwa die Einrichtungen, die Forderungen nach erhöhtem Essensgeld seit jeher als undurchführbar, weil unbezahlbar, zurückweisen) die Verpflichtung hat, für die verfassungsgemäße Versorgung einzustehen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre bedeutet dieses Urteil natürlich noch lange nicht, dass die Republik Österreich in diesen Belangen sofort Taten sehen lässt, doch sind Österreichs Zivildiener mit dieser Erkenntnis einer angemessenen Verpflegung endlich wieder einen Schritt näher gerückt.

Mehr Informationen zu diesem Thema finden sich im Internet auf den Seiten von Zivildienst.at.